Der Leistungssport ist viele Jahre Leidenschaft, soziales Netzwerk und dein Leben. Aber was passiert nach der leistungssportlichen Karriere und wie kann ein Übergang gut gelingen?
Einige Anregungen und Informationen rund um den Karriereübergang haben wir dir im Folgenden zusammengestellt.
Jede Karriere endet mal. Wenn du als Sportler einen Großteil deines Lebens der Verfolgung von Höchstleistungen gewidmet hast, kann dieser Übergang eine spannende und teils auch herausfordernde Zeit sein. Nach Jahren des intensiven Trainings, der Wettkämpfe, der Routine und des ständigen Strebens nach Verbesserung steht bei dir und vielen deiner Kollegen plötzlich die Frage im Raum: Was kommt als Nächstes?
Das Ende einer sportlichen Laufbahn ist ein bedeutender Wendepunkt. Es ist mehr als nur der Abschied vom Sport – es ist der Beginn eines neuen Lebensabschnitts mit eigenen Herausforderungen und Unsicherheiten, die es zu bewältigen gilt, aber auch mehr Freiraum und Zeit für neue Projekte und andere Lebensbereiche.
Das Ziel dieses Beitrages ist es, für die psychologischen Besonderheiten des Karriereüberganges zu sensibilisieren und dir hilfreiche Strategien für den Umgang mit dem Karriereübergang vorzuschlagen. Denn so herausfordernd dieser Abschnitt auch sein mag, es ist auch eine Zeit des Neubeginns und der Chance, neue Wege zu beschreiten. Denn als Sportler hast du bisher schon so viel erreicht und der Leistungssport hat dich geprägt und es gilt nun dieses Potential und diesen Spirit mit in den nächsten Lebensabschnitt zu übertragen.
Der Alltag und die Herausforderungen eines Athleten
Als Leistungssportler gleicht dein Alltag dem eines hochrangigen Managers und ist von Disziplin, Engagement und unzähligen Trainingsstunden geprägt- und das oft schon in sehr jungen Jahren. Dein Wochenplan ist eng getaktet mit Trainingseinheiten, Lehrgängen, Wettkämpfen, Reisezeiten und medialen Verpflichtungen. Hinzu kommen schulische oder berufliche Anforderungen. Es bleibt objektiv wenig Spielraum für soziale Kontakte, Hobbys und persönliche Entwicklung außerhalb des Sports. Diese intensive Routine und der ständige Druck, Leistung zu erbringen, machen die sportliche Karriere zu einer enormen Herausforderung.
Die Rolle der Identität und Persönlichkeitsentwicklung im Leistungssport
In diesem Umfeld kann Sport mehr als eine Tätigkeit sein – er kann zu einer zentralen Komponente deiner Identität werden. Die Identität als Sportler wird durch das Sportsystem und die damit verbundenen Normen und Werte geformt und beeinflusst. Es geht nicht nur darum, einen Wettkampf zu gewinnen oder eine persönliche Bestleistung zu erzielen. Es geht auch darum, sich als Teil einer Gemeinschaft zu sehen, als Teil eines Teams, als jemanden, der Ziele verfolgt und Träume hat.
Diese sportliche Identität kann dir während deiner aktiven Karriere Kraft geben. Sie kann dich dazu motivieren, auch in schwierigen Zeiten weiterzumachen, kann dir ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln und hilfreiche Kontakte und Privilegien ermöglichen.
Gleichzeitig kann eine starke Identifizierung mit dem Sport aber auch Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere, wenn die sportliche Karriere zu Ende geht und der Sport plötzlich nicht mehr den gleichen Platz in deinem Leben einnimmt und sich Privilegien und Status im Sportsystem verändern wie finanzielle Unterstützung, Möglichkeiten der Nutzung von Serviceleistungen etc. Je nachdem wie deine Karriere zu Ende ging und wie viel Wertschätzung du erfahren hast für deine Leistungen, kann diese Phase zu einer Vielzahl an Gefühlen führen, worauf im Folgenden eingegangen wird.
Der Karriereübergang – ein Wendepunkt
So bringt der Karriereübergang eine Vielzahl von Veränderungen mit sich, die sich auf alle Bereiche deines Lebens auswirken können.
Die offensichtlichste Veränderung ist die Abkehr vom täglichen Training und den Wettkämpfen. Der strukturierte, oft eng getaktete Alltag eines Sportlers weicht einem offeneren, flexibleren Tagesablauf. Das kann einerseits befreiend sein - endlich mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbys oder andere Interessen. Andererseits kann dieser Verlust an Struktur und Routine aber auch eine Herausforderung darstellen. Du stehst vor der Aufgabe abzutrainieren, die Ernährung anzupassen, einen neuen Alltag zu gestalten, neue Ziele zu setzen und deinen Platz in einer Welt zu finden, der nicht mehr in erster Linie vom Sport bestimmt wird.
Die finanziellen Auswirkungen des Karriereübergangs können ebenfalls erheblich sein. Während einige Sportler finanziell gut für die Zeit nach der Karriere vorgesorgt haben, kann für andere der Verlust des sportlichen Einkommens eine erhebliche Belastung darstellen. Hinzu kommen Fragen nach der künftigen beruflichen Laufbahn. Manche Sportler haben neben ihrer Karriere eine Ausbildung oder ein Studium absolviert und können in diesen Bereich wechseln. Andere müssen sich nach dem Karriereübergang neu orientieren und sich in einem völlig neuen Berufsfeld zurechtfinden oder haben die Unterstützung der Bundes- oder Landespolizei genossen, sind sich aber unsicher, ob sie auch in dem Beruf aktiv arbeiten wollen.
Wissenschaftlicher Background
Der Karriereübergang wird von vielen Sportlern als große Lebensveränderung wahrgenommen, die bei 46% der Sportlern in den ersten 6-8 Monaten mit einer mittelmäßigen bis hohen Stressbelastung einhergeht. Trotz der Herausforderungen bewertet ein Großteil der Athleten den Übergang als positiv und ist zufrieden mit dem post-sport Leben nach dem Leistungssport [1,2]. Die Minderheit bewertet ihren Anpassungsprozess negativ (8-15%) und ist mit ihrem Leben nach der sportlichen Karriere unzufrieden (5-11%) [1,2]. Neben den negativen Auswirkungen steht nun mehr Zeit für Familie, Freunde und andere Interessen zur Verfügung. Die körperliche Belastung durch Training und Verletzungen fällt weg, wie auch der sportliche Leistungsdruck.
Da es sich bei dem Karriereübergang um einen Anpassungsprozess handelt, können die verschiedenen Phasen differenzierter betrachtet werden. Das psychische Befinden variiert je nach Erhebungszeitpunkt und durchläuft verschiedene Stadien. Stephan [3] identifizierte bei französischen Leistungssportlern eine erste Phase der Anpassung (1,5 Monate nach dem Karriereübergang), in der das subjektive Wohlbefinden zunächst sank. Im Vordergrund stand die Erkenntnis, dass sich die Werte und Kompetenzen am Arbeitsplatz von den während der sportlichen Karriere verinnerlichten Werten unterscheiden. Zum Zeitpunkt fünf Monate nach dem Karriereübergang steht die Vermeidung eines passiveren Lebensstils im Vordergrund. Alternative Aktivitäten und die Suche nach sozialen Netzwerken sind Ersatz für den Takt des Leistungssports. Das Wohlbefinden steigt hierbei wieder an. Nach acht Monaten im neuen Lebensabschnitt zeigt sich nach Stephan [3] weniger Vermeidungsverhalten und mehr sportliche Aktivität. Der Athlet erlebt sich als beruflich kompetenter, es mangelt aber noch an beruflichen Zielen. In dieser Phase stabilisiert sich das Wohlbefinden. Ein Jahr nach dem Karriereübergang steigt das Wohlbefinden an. Das Setzen und Erreichen beruflicher Ziele wird als positiv erlebt. Die Sportler gewinnen Kontrolle über ihre Freizeit und treiben ergänzend Sport in einem selbst gewählten Rahmen. Auch bei kanadischen Athleten fanden sich ähnliche, als hilfreich empfundene Bewältigungsstrategien, mit Verlagerung des Interessenschwerpunktes, beschäftigt sein und sportliche Aktivität [1].
Wie bei allen Anpassungsprozessen ist die Dauer individuell unterschiedlich. 23% gaben an, diesen nach 1-2 Monaten bewältigt zu haben, ein Drittel benötigte 6-12 Monate, 22% über zwei Jahre. 23% gaben an zum Zeitpunkt der Erhebung (durchschnittlich 4 Jahre nach dem Karriereübergang) immer noch nicht komplett an ihre neuen Situationen angepasst zu sein [1].
Prävalenz psychischer Beschwerden bei ehemaligen Leistungssportlern
Insgesamt ist die Prävalenz psychischer Beschwerden ähnlich der der Normalbevölkerung [4]. Es gibt jedoch Untergruppen, bei denen Symptome vermehrt auftreten; Athleten mit Verletzungen und Gehirnerschütterungen in der Vorgeschichte, anhaltenden Schmerzen, zum Beispiel im Rahmen einer Arthrose und psychosozialen Belastungsfaktoren sollten besondere Aufmerksamkeit erhalten.
Faktoren, die den Karriereübergang beeinflussen
Wenn du dich auf den Übergang in das Leben nach der sportlichen Karriere vorbereitest, können verschiedene Faktoren den Prozess beeinflussen. Dabei bilden Bildung, soziale Unterstützung und Finanzen die Säulen, die dir dabei helfen können, die Herausforderungen dieses Übergangs besser zu bewältigen.
Die Bildung ist ein wesentlicher Baustein dieses Prozesses. Während deiner aktiven Karriere kann es herausfordernd sein, Zeit und Energie für die Ausbildung zu finden. Aber eine solide Bildungsbasis - sei es durch ein Hochschulstudium, eine Berufsausbildung oder Weiterbildungskurse - wird dir neue Türen öffnen, wenn du dich auf das Leben jenseits des Sports vorbereitest. Sie kann dir helfen, neue Karrieremöglichkeiten zu erschließen und dich mit den Fähigkeiten ausstatten, die du brauchst, um in einer neuen beruflichen Umgebung erfolgreich zu sein.
Die soziale Unterstützung ist ebenfalls eine tragende Säule bei der Bewältigung des Karriereübergangs. Deine Familie, Freunde, Kollegen, Trainer, Laufbahnbegleiter und andere wichtige Personen in deinem Leben können eine entscheidende Rolle spielen, indem sie dir emotionale Unterstützung bieten. Sie können dir auch praktische Hilfe bei der Neuorientierung anbieten und dir bei der Suche nach neuen Möglichkeiten beistehen. In diesem Übergangsprozess bist du nicht allein, und es kann hilfreich sein auf Unterstützung zurückzugreifen.
Nicht zuletzt spielen auch die Finanzen eine zentrale Rolle. Ein solider finanzieller Hintergrund kann dir die Freiheit und den Freiraum geben, dich auf deinen nächsten Karriereschritt zu konzentrieren, ohne dir sofortige finanzielle Sorgen machen zu müssen. Es ist wichtig, dass du während deiner aktiven Karriere Maßnahmen ergreifst, um sicherzustellen, dass du für diesen Übergang finanziell gerüstet bist, sei es durch gezieltes Sparen, Investitionen oder die Einrichtung eines Notfallfonds. Hilfreich kann es dabei auch sein die Beratung eines Fachmanns in Anspruch zu nehmen.
Es ist wichtig, dass du diese drei Aspekten bereits während deiner aktiven Karriere Aufmerksamkeit schenkst, um dich optimal auf den Karriereübergang vorzubereiten.
Weitere Wirkfaktoren für einen guten Übergangsprozess
Die Art und Weise, wie du deine sportliche Identität erlebst, kann ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf deine Erfahrungen mit dem Karriereübergang haben. Wenn du dich sehr stark mit deiner Rolle als Sportler identifizierst und deine Ressourcen sehr stark mit deiner Sportlerrolle verknüpft sind, kann es schwieriger sein, diese Rolle loszulassen bzw. zu verändern.
Ebenso kann die Zufriedenheit mit deiner sportlichen Karriere einen Einfluss darauf haben, wie du den Übergang erlebst. Wenn du mit dem Gefühl in den „Ruhestand“ gehst, dass du deine sportlichen Ziele erreicht und deine Möglichkeiten ausgeschöpft hast, kann dies dazu beitragen, dass du den Übergang als weniger belastend empfindest. Hingegen kann eine Karriere, die von unerfüllten Erwartungen, Verletzungen oder anderen Enttäuschungen geprägt ist, den Übergangsprozess erschweren.
Plan B und Tipps zur erfolgreichen Meisterung des leistungssportlichen Karriereüberganges
Das mag gegenintuitiv erscheinen, wenn du noch voll im Wettkampfgeschehen bist, aber je früher du anfängst, desto besser wirst du auf den Übergang vorbereitet sein. Dies beinhaltet sowohl die finanzielle als auch die berufliche und persönliche Planung. Denke darüber nach, welche Karriere du nach dem Sport anstreben möchtest und welche Fähigkeiten und Ausbildungen du dafür benötigen könntest. Beginne frühzeitig mit der Vorbereitung auf diesen nächsten Schritt, um den Übergang so nahtlos wie möglich zu gestalten. Die Laufbahnberater an den Olympiastützpunkten können dich dabei unterstützen. Einen Plan B zu haben kann dir auch während deiner leistungssportlichen Laufbahn helfen Druck zu reduzieren, was insbesondere in Leistungs- oder Krisensituationen wie Verletzungen zum Tragen kommt. Bei manchen Athleten kann eine duale Karriere zudem durch einen so genannten Detachement-Effekt Stress reduzieren, da man sich auch mal mit ganz anderen Dingen beschäftigt und so abschalten kann vom „Sportler Alltag“.
Im Leben eines Leistungssportlers nimmt der Sport einen großen emotionalen und zeitlichen Raum ein, dennoch sehen wir in wissenschaftlichen Studien und praktischen Erfahrungen immer wieder, wie wichtig auch ein Leben neben dem Sport mit anderen Interessen, Freunden und eben einem Plan B ist. Das kann dir im Rahmen eines Detachement-Effektes dabei helfen auch anderen Input und Austausch zu haben, besser abschalten zu können sowie gelassener mit Druck, leistungssportbezogenen Stressoren, Leistungsstagnationen und Verletzungen umgehen zu können. In der psychotherapeutischen Praxis sehen wir immer wieder Sportler, bei denen die Überidentifikation über den Sport und Existenzängste ein ausschlagender Faktor für die Entstehung von Depressionen, Panikstörungen, Essstörungen oder Suchterkrankungen ist, daher ist uns die Betonung dieses Punktes sehr wichtig.
Entdecke also im Rahmen der Möglichkeiten auch schon während der Leistungssportzeit auch andere Hobbys und Interessen, schaffe dir soziale Netzwerke auch außerhalb des Sportes und lerne, dich außerhalb der Sportwelt zu bewegen. Dies wird dir helfen, dich anzupassen und dein Leben nach dem Sport zu bereichern.
Du hast im Sport wahrscheinlich viel erlebt und durch den Sport viel gelernt und mitgenommen. Schreibe dir mal auf a) welche Erinnerungen, du für dich speichern möchtest und b) welche Fähigkeiten du dir im Leistungssport angeeignet hast, die dir auch im Leben nach dem Leistungssport helfen können. Manchen Sportlern hilft es auch nochmal die schönsten Momente in Bildern, Videos oder Andenken zusammenzufassen und in einem Ritual und mit Dankbarkeit das Kapitel Leistungssport zu schließen.
Hilfreich kann es dabei beispielsweise auch sein, neue Sportarten auszuprobieren, in denen z.B. weniger Vergleichswerte zu dem vorherigen Leistungsskript vorhanden sind, die Spaß machen oder die gut mit verletzungsbedingten Einschränkungen kompatibel sind. Auch wegen der nachgewiesenen antidepressiven und anxiolytischen Effekte regelmäßigen Sporttreibens, solltest du nicht zu schnell das Training reduzieren bzw. ein Mindestmaß an gesundem Bewegungsverhalten beibehalten.
Weitere Tipps zum Abtraining aus sportmedizinischer, trainingswissenschaftlicher, sportpsychologischer und ernährungswissenschaftlicher Sicht hat beispielsweise der OSP Berlin zusammengestellt https://www.osp-berlin.de/
Welche Sportarten möchtest du zukünftig machen, wie kannst du mit dem inneren Schweinehund umgehen, auch wenn du keinen Sport mehr machen musst und willst du Kontakt zu deinem ehemaligen Leistungssportnetzwerk halten?
Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass der Übergang von der aktiven Sportkarriere ins Leben danach kein einzelnes Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess ist. Es ist völlig normal, sich während dieser Zeit auch mal unsicher oder gar überwältigt zu fühlen. Habe diesbzgl. Mitgefühl mit dir und gib dir Zeit für diesen Übergangsprozess. Vielleicht hilft es anzunehmen, dass alle Gefühle nebeneinander existieren können.
Der Karriereübergang ist mit vielen Abschieden und Veränderungen verbunden und birgt aber auch viele Chancen neue Interessen zu entdecken, neue Fähigkeiten zu erlernen, neue Rollen und Identitäten anzunehmen und neue Wege im Leben zu beschreiten.
Nimm dir gerne Zeit für Vorfreude und plane Dinge, die du jetzt machen kannst in der neu gewonnen Zeit.
Die Menschen um dich herum – deine Trainer, Teamkollegen, Freunde, Familie – können eine wichtige Ressource sein, wenn du dich auf den Übergang vorbereitest. Sie können dir helfen, neue Möglichkeiten zu erkennen, dich bei der Suche nach neuen Wegen unterstützen und dich ermutigen, wenn du vor Herausforderungen stehst.
Ob es sich um einen Sportpsychologen, einen Laufbahn- oder Ernährungs- oder einen Finanzberater handelt – Experten können dir wertvolle Ratschläge und Unterstützung bieten, um den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Unterstützungsmöglichkeiten zur dualen Karriere und einen erfolgreichen Übergang:
Unterstützungsangebote für die Förderung einer dualen Karriere werden z.B. an Olympiastützpunkten, den Eliteschulen des Sports, Partnerhochschulen, der Sportfördergruppe der Bundeswehr, der Landespolizei/Bundespolizei, den regionalen Sporthilfen, der Deutschen Sporthilfe, Landesverbänden, Spielergewerkschaften und Nachwuchsleistungszentren angeboten. Die OSP´s und die Deutsche Sporthilfe bieten mittlerweile auch spezielle Unterstützungsangebote für den Karriereübergang an.
Olympiastützpunkte
Seit 2015 erhalten erfolgreiche Bundeskaderathleten (Olympiateilnehmer oder Sportler mit einem fünfjährigen Bundeskaderstatus) das Anrecht, auch nach ihrer Leistungssportkarriere in sogenannten Zukunftsgesprächen von den Laufbahnberatern an den Olympiastützpunkten betreut zu werden. Hier findest du eine Liste mit den Standards der Laufbahnberatung und eine Kontaktliste.
Am OSP Berlin findet zusätzlich seit 2022 jährlich ein eintägiger Workshop für ehemalige Athleten ab NK1 des OSP Berlin statt, in dem es um Austausch, Reflektion, Neuorientierung und interdisziplinäre Informationen rund um das Thema Abtraining, Ernährungsumstellung und psychologische Skills zum Fähigkeiten Transfer und Neuorientierung geht.
Eine sportpsychologische Betreuung ist an allen OSP´s und im Verband an den Kaderstatus geknüpft und es gibt noch keine offizielle spezielle Unterstützung des Karriereüberganges, aber natürlich findet das Thema in der vorherigen Arbeit schon Raum und es wird versucht im Rahmen der regulären Arbeit Karriereübergänge gut zu begleiten.
Sportpsychologen sind speziell darauf geschult, Athleten bei den mentalen Aspekten ihrer Karriere zu unterstützen, einschließlich des Übergangs in das Leben nach dem Sport. Sie können eine Vielzahl von Techniken und Strategien anbieten, die dir helfen können, mit den Herausforderungen, die das Karriereende mit sich bringt, besser umzugehen. Dazu gehören Techniken zur Stressbewältigung, zur Verbesserung der mentalen Widerstandsfähigkeit und zur Bewältigung von Veränderungen. Sie können dir auch dabei helfen, neue Ziele zu setzen und einen Plan für dein Leben nach dem Sport zu entwickeln.
Deutsche Sporthilfe
Die Deutsche Sporthilfe versucht in Kooperation mit den Laufbahnberatern an den Olympiastützpunkten mit dem Förderbaustein "Sprungbrett Zukunft", Wirtschaft und Spitzensportler zum beidseitigen Nutzen zusammen zu bringen und so Deutschlands Top-Athleten für die Zeit nach der sportlichen Laufbahn vorzubereiten.
Außerdem haben sie viele gelungene Angeboten zur Nachaktiven-Förderung, die allen Mitgliedern des Sporthilfe Alumni-Clubs zur Verfügung stehen. Das Angebot ist vielfältig und setzt sich sowohl aus finanzieller Förderung als auch beruflicher und persönlicher Förderungen zusammen. Bzgl. der finanziellen Förderung unterstützt die Sporthilfe – unter bestimmten Voraussetzungen – auch noch ehemals geförderte Athleten, um so den Einstieg in die Berufswelt zu erleichtern. Angeboten werden dabei das Alumni Stipendium, das WHU-Stipendium und das Deutsche Bank Sportstipendium.
Das Alumni-Stipendium soll erfolgreichen Athleten im Anschluss an ihre Leistungssportkarriere ermöglichen, eine berufliche bzw. wissenschaftliche Qualifikation zu erlangen oder nachzuholen, die parallel zum zeitintensiven Leistungssport nicht begonnen oder abgeschlossen werden konnte. Das Stipendium kann von ehemaligen Athlet:innen des Top-Teams und des Paralympicskaders beantragt werden, die dem jeweiligen Kader mindestens 36 Monate zugehörig waren. Förderumfang: 500 € pro Monat, Laufzeit: bis zu 36 Monate
Das WHU-Stipendium bietet ehemaligen Spitzensportlern die Möglichkeit einer Studienfinanzierung für einen berufsbegleitenden Part-Time Master of Business Administration (MBA) an der WHU-Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. Voraussetzung für das Stipendium von WHU und Werte-Stiftung sind ein erster Studienabschluss, mindestens zwei Jahre Berufserfahrung sowie die Erfüllung der aktuellen Ausschreibungskriterien.
Förderumfang: vollständige Übernahme der Studiengebühren, Laufzeit: 24 Monate (Stand 07.11.2023)
Athlet:innen, die einmal im Top-Team oder im Paralympicskader gefördert wurden, können eine Studienförderung über das Ende der Sportkarriere hinaus beantragen. Förderumfang: 300 Euro pro Monat, Laufzeit: bis zur Beendigung des Studiums (maximal für drei Jahre nach Karriereende und 150% der Regelstudienzeit)
(Stand 07.11.2023)
Im Bereich der Berufs- und Persönlichkeitsentwicklung stehen den Alumni-Club-Mitgliedern eine Reihe von Angeboten zur Verfügung. Einige Angebote sind für die ersten Jahre nach dem Karriereende bestimmt, andere gelten unbegrenzt. Projekte sind beispielsweise die Start-up Academy, Mentorenprogramme, Kennwort-Bewerbung, Kurzzeitpraktika, Bewerbertraining, Sporthilfe Elite Forum, Speaker Training und Coaching-Pool. Die Angebote sind wirklich toll, guckt gerne mal rein https://www.sporthilfe.de/alumni-club/alumni-nachaktivenfoerderung
Super finden wir ebenfalls, dass die Deutsche Sporthilfe mit den Formaten Zukunftsworkshop und Matchplan darüber hinaus spezielle Workshopangebote für den Karriereübergang entwickelt und implementiert hat.
Der Zukunftsworkshop setzt sich aus 2 Workshopteilen zusammen, ein zweitägiger Online-Workshop und ein 2-tägiger Präsenz-Workshop in der Sporthilfe vor Ort. Der Zukunftsworkshop ist für alle geförderte oder ehemals geförderte Sporthilfe Athleten (Alumnis).
Beim Zukunftsworkshop lernen die Teilnehmer:innen mehr über sich selbst, über ihre Stärken und Eigenschaften, die sie auch außerhalb des Sports kennzeichnet und wie sie damit erfolgreich im Berufsleben punkten können. Außerdem wird eine Zukunftsvision pro Teilnehmer erarbeitet. Den Zukunftsworkshop können auch Athleten machen, die ihn naher Zukunft an ihr Karriereende denken.
Der Matchplan erstreckt sich insgesamt über 2 verschiedene Präsenz-Workshops und eine intensive 1:1-Betreuung unserer Coaches circa über ein halbes Jahr hinweg. Jedes Jahr findet eine Matchplan-Runde statt, und es können 12 ehemalig geförderte Ahtlet:innen, die mindestens 12 Monate im OK waren oder aktuell noch im OK sind, aber in sehr naher Zukunft (innerhalb des laufenden Jahres) ihre sportliche Karriere beenden wollen, teilnehmen.
Der Unterschied zum Zukunftsworkshop liegt in der Länge der Betreuung und der Möglichkeit, dass die Athlet:innen im Nachgang an die Workshops auch die Möglichkeit haben individuelle Weiterbildungsmaßnahmen über den Matchplan einzureichen und abrechnen zu lassen, daher ist hier der Athlet:innen-Kreis auch auf Top-Team (Olympiakaderathlet:innen) beschränkt. Insgesamt wird hier verstärkt auf die Betreuung über einen längeren Zeitraum gelegt, sodass die Athlet:innen einen „Matchplan“ für den erfolgreichen Einstieg in den Beruf haben oder durch Weiterbildungsmaßnahmen dann erlangen. Umgesetzt wird das neue Programm mit der Unterstützung von Jürgen Klopp, der Initiative Common Goal und der Agentur projekt b.
Das hinterderziellinie Team sind die beiden Coaches Andreas Kuffner und Friederike Lindenberg, die beide dieser Workshops umsetzen und leiten. Ansprechpartnerin für diese Angebote ist aktuell (Stand 07.11.2023) Verena Braun, Managerin Athletenförderung der Deutschen Sporthilfe (verena.braun@sporthilfe.de).
Mit diesen Angeboten des Deutschen Olympischen Sportbundes, den OSP´s und der Deutschen Sporthilfe soll das Ende der Spitzensport-Karriere auch offizieller als Bestandteil der dualen Karriere anerkannt werden.
Weitere Unterstützungsangebote vor allem auch für den Übergang in psychische Probleme haben wir dir hier zusammengefasst.
"WinWin Sportmarketing" bietet Athleten während und am Ende ihrer sportlichen Karriere Unterstützung bei der Jobsuche an. Hierbei werden Herausforderungen, die der Übergang vom Sport ins Berufsleben mit sich bringen kann, berücksichtigt und sich darauf konzentriert, passende Stellen für ehemalige Spitzensportler zu finden.
Im Kern des Angebots steht das persönliche Kennenlernen mit den Athleten, um deren berufliche Vorstellungen und regionalen Wünsche zu verstehen. Auf Basis dieser Informationen sowie der bereitgestellten Dokumente wie Lebenslauf und Zeugnisse erstellt "WinWin Sportmarketing" eine Bewerbermappe. Das Ziel ist es, Unternehmen zu identifizieren, welche die Stärken von Spitzensportler schätzen und flexible Arbeitsbedingungen bieten können.
Die Suche nach geeigneten Stellen beinhaltet die Kontaktaufnahme mit potenziellen Arbeitgebern, um die Eignung der Athleten für offene Stellen zu diskutieren, ohne dabei Namen zu nennen. Bei positivem Feedback und mit Einverständnis der Athleten werden die Bewerbungsunterlagen weitergeleitet und Vorstellungsgespräche organisiert.
Ausführlichere Informationen über das Angebot findest Du hier.
Zusammenfassung und Ausblick
In den letzten Jahren ist nicht nur die psychische Gesundheit des aktiven Athleten mehr in den wissenschaftlichen und praktischen Fokus gerückt, sondern auch sein Befinden nach dem Karriereende. Zusätzlich konnten neue Erkenntnisse hinsichtlich des Übergangsprozesses gewonnen werden. Zusammenfasend kann man sagen, dass der Sportler bei seiner Karrierebeendigung vor einer Fülle an Veränderungen und Aufgaben steht, die jedoch von den meisten Sportlern gut gemeistert werden. Dieser Prozess braucht allerdings Zeit. Faktoren wie eine stark ausgeprägte Identität als Sportler, Unzufriedenheit mit der sportlichen Kariere, geringe soziale Unterstützung und mangelnde Zukunftsplanung können den Prozess erschweren und verlängern. Ehemalige Athleten leiden unter psychischen Beschwerden in ähnlicher Häufigkeit wie die Normalbevölkerung. Allerdings finden sich Faktoren die das Auftreten psychischer Leiden deutlich erhöhen, wie Schmerzen, Arthrose, wiederholte Gehirnerschütterungen und psychosoziale Gründe. Diese Gruppe der Athleten sollte eine intensiviere Nachbetreuung erfahren.
Wir wünschen Dir von Herzen einen erfolgreichen Karriereübergang und ganz viel Mut, Vorfreude und Energie für das nächste Kapitel!
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Quellenangaben
[1] Sinclair, D. A. & Orlick, T. (1993). Positive transition from high-performance sport. The Sport Psychologist, 7, 138-150.
[2] Erpicˇ, S. C., Wylleman, P., & Zupancˇicˇ, M. (2004). The effect of athletic and non-athletic factors on the sports career termination process. Psychology of Sport and Exercice, 5, 45–59.
[3] Stephan, Y. (2003). Repercussions of transition out of elite sport on subjective well-being: A one-year study. Journal of Applied Sport Psychology, 15(4), 354–371.
[4] Mannes, Z.L, Waxenberg, L.B, Cottler, L.B, Perlstein, W.M, Burrell, L.E 2nd, Ferguson, E.G, Edwards, M.E. & Ennis, N. (2019). Prevalence and Correlates of Psychological Distress among Retired Elite Athletes: A Systematic Review. International Review of Sport and Exercise Psychology, 12(1):265-294.